Von Indra Kupferschmid als „Mittagspausenfüller“ eingeleitet und trotz attraktiven Parallelprogramms (Mittagessen), ist die Stage zur Diskussionsrunde Schriftlizenzen gut besucht. Es geht um Rechtsthemen, kann also trocken werden. Aber es scheint genug Bedarf zu geben, offene Fragen zu klären und Wissenslücken zu schließen.
Umgang mit Lizenzen aus allen Perspektiven
Die Runde auf der Bühne ist gemischt, es sprechen Anwender und Anbieter von Schriften. Moderiert wird sie von Indra Kupferschmid, Typografin, Professorin und Verfechterin typografischer Vielfalt. Sie spricht mit Andrea Nienhaus, Designerin mit Fokus auf crossmediales Publizieren und die Gestaltung digitaler Publikationen, Hannes von Döhren, Schriftgestalter und Betreiber einer eigenen Foundry, sowie Jan Kaestner, Rechtsanwalt und „European & Chief IP Counsel” von Monotype und damit Experte für Urheberrecht und den Schutz immaterieller Güter. Die Zuschauer kommen auch zu Wort in einer offenen Fragerunde. Wie es sich für einen Text zu Rechtsthemen gehört, hier der Disclaimer: Der folgende Text ersetzt natürlich keine Rechtsberatung.
Lizenzen und EULA, was ist das?
Worum geht es hier überhaupt? Wer Schriften kauft, kauft eine Lizenz zur Nutzung von Schriften-Software (Fonts). Diese Nutzung wird anhand einer Lizenzvereinbarung (oder EULA – End User License Agreement) geregelt. Diese gibt dem Nutzer die rechtlichen Rahmenbedingungen vor: Was ist ihm erlaubt, was nicht. Wenn in der Vereinbarung alles drinsteht, wieso dann diese Gesprächsrunde? Lizenzverträge sind juristische Texte, mitunter lang und kompliziert zu lesen. Auf die Frage von Indra Kupferschmid, wer sich diese immer durchlese, gehen nur vereinzelt Hände im Publikum hoch. Dazu kommt die Hürde, dass es für eine Schrift häufig, je nach Anwendung, verschiedene Lizenzen gibt, zum Beispiel Desktop-, Web- oder App-Lizenzen.
Unterschiedliche Foundries (Schriften-Verlage) haben zudem unterschiedliche Lizenzen, die mehr oder weniger restriktiv sein können. Manche Lizenzen schließen eine Nutzung der Schrift für Logos oder Fernsehausstrahlungen aus und erfordern hierfür eine eigene Logo- oder Broadcasting-Lizenz. Bei anderen ist das mit einer Desktop-Lizenz möglich. Dazu kommt die Frage, mit wem man es beim Kauf überhaupt zu tun hat. Bei Lizensierung über einen Vertrieb (wie FontShop, MyFonts, Village oder Fontstand) sind bereits drei Parteien involviert. Nutzer können hier schnell den Überblick verlieren: Welche Lizenz brauche ich und was ist damit erlaubt? Dass das bei Anwendern für Verwirrung sorgt, bestätigt auch Hannes von Döhren. Er merkt dies an Nachfragen, die seine Foundry erreichen.
Das ist komplex und unübersichtlich. Reicht nicht eine Lizenz aus?
Jan Kaestner erklärt den juristischen Hintergrund der verschiedenen Lizenzmodelle: Während früher die einfache Desktop-Lizenz die Installation von Schriften-Software auf einer bestimmten Anzahl von Computern für die meisten Nutzungsfälle abgedeckt hat, kommen heute neue Aufgabenfelder wie Apps, Webseiten oder E-Books hinzu. Hier verbleiben Fonts nicht auf einem Rechner, sondern Schriften-Software muss in Hard- oder Software eingebettet und/oder weiterverbreitet werden. In einigen Fällen, wie beispielsweis bei E-Books, kann sie sogar extrahiert werden, erzählt Andrea Nienhaus. Was natürlich nicht erlaubt sei, wirft Jan Kaestner ein. Auch das Einbetten in PDFs ist per EULA häufig ausgeschlossen.
Das alles klingt für Anwender restriktiv und wenig übersichtlich. Warum gibt es überhaupt so viele verschiedene Lizenzen für verschiedene Nutzungen? „Niemand möchte Rechte verschenken“, sagt Jan Kaestner, das sei auch im Interesse von Type-Designern.
Hannes von Döhrens Perspektive ist pragmatisch. Er versucht, die Lizenzen seiner Foundry an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und sie so einfach wie möglich zu halten. Große Firmen haben finanziell mehr Möglichkeiten als Studenten, das soll sich auch in den Lizenzen spiegeln. Eine Desktop-Lizenz decke bereits viele Anwendungsfälle ab und sei zum größten Teil identisch mit denen anderer Foundries. Bei Fragen oder Unsicherheiten könne man auch immer den direkten Weg zur Foundry wählen.
Auch Andrea Nienhaus erzählt, dass Sie beispielsweise mit den Schriften eines befreundeten Type-Designers arbeitet, wobei sie sich um das Thema EULA keine Gedanken macht. Höchstens beim Thema Kosten stößt sie bei Auftraggebern auf Widerstand. Aufgrund ihres medienübergreifenden Gestaltungsansatzes kommen oft verschiedene Lizenzen zum Einsatz. Den Weg, Schriften für E-Books neu lizensieren zu lassen, wollen oder können kleine und mittelgroße Verlage nicht immer gehen. Dann wird leider häufig auf das zurückgegriffen, „was da ist“. Als Nutzerinnen erzählen Indra Kupferschmid und Andrea Nienhaus auch, dass alle Anwendungsfälle eines Auftrags nicht immer von Anfang an abzusehen sind. Wenn das doch der Fall ist, gibt es beispielsweise Lizenzen, die Web- und Desktopnutzung bündeln, so Indra Kupferschmid. Bei dem derzeitigen typografischen Angebot sieht sie keine Einschränkung darin, sich bei der Auswahl von Schriften für kleinere Projekte auch an den Möglichkeiten der Lizenzen zu orientieren.
Fragen aus der Diskussion
Wenn nicht die ganze EULA, was sollte ich unbedingt lesen?
Den Teil der EULA, welcher Aufschluss gibt über das, was erlaubt ist und das, was nicht, ist die „Nutzungsrechtevereinbarung“. Darüber hinaus geben viele Seiten von Foundries oder Vertrieben eine Übersicht über den Umfang der verschiedenen Lizenzen. Einige Foundries bieten auch kurze Erklärungen einzelner Abschnitte ihrer EULA an.
Mit wem schließe ich den Vertrag?
Die Lizenzvereinbarung kommt im Regelfall von der Foundry. Beim Kauf über einen Distributor/Vertrieb kommt allerdings der Kaufvertrag mit diesem zustande, ähnlich wie der Kauf von Produkten bestimmter Marken (Foundry) im Einzelhandel (Vertrieb).
Wenn sich die Lizenzvereinbarung ändert, nachdem ich die Schrift gekauft habe, woran muss ich mich halten?
Der juristische Rat lautet: Kommt auf den Einzelfall an. Prinzipiell sind Klauseln, die EULAs nachträglich ändern in Deutschland unzulässig, anders als in den Vereinigten Staaten. Für professionelle Anwender gilt allerdings das Recht jenes Staates, in dem der Händler gewerblich registriert ist.
Was mache ich mit den ganzen verschiedenen EULAs? Gibt es da keine zentrale Lösung?
Es gibt zwar Beispiele in denen EULAs in Font-Dateien eingebunden werden, aber bis jetzt bleibt Nutzern nichts anderes übrig, als die Dateien gemeinsam mit den Font zu speichern.
Was ist, wenn ich vom Auftraggeber Fonts bekomme, deren Lizenzvereinbarung unklar ist?
Prinzipiell ist die Weitergabe von Fonts mit einer Desktop-Lizenz nicht erlaubt. Wenn keine Webfonts dabei sind, ist davon auszugehen, dass es keine Web-Lizenz gibt. Auch wenn hier der Auftraggeber haftbar ist, sollten sich Designer bemühen, die rechtliche Situation zu klären. Hier sehen die Diskussionsteilnehmer Designer in der Pflicht. Auch auf die Kosten von verschiedenen Medienlizenzen müsse oft zusätzlich hingewiesen werden, sagt Andrea Nienhaus. Das Gleiche gelte für Professoren und Dozenten an Hochschulen: Auch Studenten sollte vermittelt werden, wie Lizenzen funktionieren, oder zumindest, dass hinter digitalen Schriften viel Arbeit und Wissen von Type-Designern steckt.
Was ist wenn ich eine Schrift nur testen möchte? Gibt es auch Layoutlizenzen?
Das ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Einige Foundries oder Vertriebe bieten Test-Fonts an, die mit einem eingeschränkten Zeichensatz nur zum Ausprobieren dienen oder nur zeitlich begrenzt genutzt werden können. Bei Monotype gibt es nur die Desktop-Lizenz, oder alternativ auch Subskriptionsmodelle.
Subskription als Zukunftsmodell?
Da es bei Lizenzen auch immer um die Vergütung der Type-Designer geht, sorgt das Thema Subskriptionsmodelle für zusätzliche Diskussionen. Die Bezahlung funktioniert ähnlich wie beim Musikstreaminganbieter Spotify und ist für Webfonts schon länger üblich. Bei Monotype ist in einem solchen Lizenzmodell die Nutzung der Monotype-Bibliothek für einen monatlichen Beitrag auch im Desktopbereich möglich. Hannes von Döhren weist darauf hin, dass in solchen Modellen für Schriftgestalter nicht viel übrig bleibt, auch aus dem Publikum kommt Kritik. Das sei richtig, hohe Einnahmen werden bei solchen Modellen nur über ein hohes Volumen generiert, bestätigt Jan Kaestner. Es stehe jedem Schriftgestalter frei, für sich eine passende Verwertungsform zu finden.
Written by Tilmann Hielscher •
Indra Kupferschmid
Typographer, Professor for Typography at HBK Saar (Saarbrücken)
Indra Kupferschmid is a freelance typographer and professor at HBKsaar, University of Arts Saarbrücken. Fueled by specimen books, she is occupied with type around the clock in all its incarnations – webfonts, bitmap fonts, other fonts, type history, DIN committees, writing, design work, and any combination of this. She is co-author of Helvetica Forever by Lars Müller Publishers and wrote Buchstaben kommen selten allein, a typographic reference book (Niggli). She consults for the type and design industry and other clients who need help choosing fonts, as well as writing for several different magazines and blogs.