Beyond Design gestalten

Unter dem Motto „Beyond Design“ führt TYPO Berlin 2016 die Grafikdesign-Branche zusammen. Das ist herausfordernd. Als Gestalter/in fragt man sich dabei, was kann es geben, das über den modernen Design-Begriff hinausgeht? Kommunikationsdesign fassen wir als allumfängliche Disziplin auf – nach Paul Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren!“. Es gibt nichts, wovon wir die Finger lassen könnten und sollten. Was also kann „Beyond Design“ sein? Wie setzen wir das Motto als Konferenzdesign um?

– –
Von Magnus und Steff Hengge, studio adhoc

Beyond Design ist unbeschränkte Kooperation

Der Wunsch die Dinge zu gestalten, ist eine Haltung, die sich auf potentiell die ganze Welt bezieht. Das ist unser Ansatz bei studio adhoc. Vieles allerdings, das besser gestaltet werden sollte, scheint unerreichbar, außerhalb des direkten Einflussbereichs von Designerinnen und Designern. Wie setzen wir Gestaltungswillen und -anspruch um? Wie nehmen wir Bezug auf gesellschaftliche „Gegebenheiten“? Und wie wird Gestaltung in unserer unbestreitbar global ausgerichteten Welt erkennbar? Für uns kann es darauf nur eine Antwort geben: Kooperation!

TYPO_B16_Motiv-Tummelplatz_BlogPost-01

Vorbild Bakterie

Nur wenn wir die theoretisch unbeschränkte Zusammenarbeit mit anderen als Möglichkeit verstehen, gelingt es uns, die klassische Idee von Design und Gestaltung zu übertreffen. Ein vitales und äußerst erfolgreiches Vorbild für die entgrenzte Einflussnahme durch totale Kooperationsfähigkeit? Bakterien!

Heute wissen wir, dass 90% aller Zellen, die wir als unser „Ich“ auffassen, nicht menschlich sind. Sie alle bilden das Mikrobiom. Diese Gemeinschaft aller nicht menschlichen Zellen eines Menschen bestimmt stark dessen Verhalten, Geschmack und sogar das Denken. Sogar unsere Gene werden von unseren Bakterien reguliert. Als die unbemerkten Gestalter nehmen Bakterien Einfluss auf alles.
Dazu kommt, dass sich Bakterien in der Evolution in rasender Geschwindigkeit selbst an die lebensfeindlichsten Gegebenheiten anpassen konnten und in scheinbar grenzenlosen Variationen die unterschiedlichsten Lebensgemeinschaften bilden können.


Lassen wir die Bakterien los – gegen sie sind wir ohnehin machtlos. Betrachten wir, wie sie sich die Welt aneignen und umgestalten. Nehmen wir ihre Netzwerker-Fähigkeiten als Ansporn, selbst in einer multidirektional vernetzten Welt klar- und voranzukommen.

Biomorphes Skizzieren

Die Fähigkeit zur Anpassung verdanken Bakterien dem Arbeitsprinzip des „Trial and Error“ – auch für Gestalter/innen oft ein erfolgreicher Ansatz, um von manchmal fest gefahrenen Lösungswegen auszubrechen. Als künstlerische Illustratorin praktiziert Steff Hengge eine solche Arbeitsweise unter dem Pseudonym Stefanidad. Mit dem dicken Filzstift in der linken Hand zeichnet sie sich ihren Lösungen entgegen. Die Kommunikationsgestaltung der TYPO Berlin 2016 Beyond Design greift Stefanidads biomorphen Stil auf und folgt ihrer forschenden Arbeitsweise.

BeyondFont-skizzen-breit2

BeyondFont – diese Schrift lebt

In einer frühen Phase des Design-Konzepts zeichnete Steff Hengge auch alle textlichen Bestandteile in die Illustrationen. In einer beispiellosen Kooperation mit Ulrike Rausch von LiebeFonts.com entstand aus dem Handlettering ein lebendiger Hand-Font mit unzähligen Ligaturen, Kontextvarianten und Schmuckbuchstaben, der nun als Headline Font und Web Font für die TYPO Berlin eingesetzt wird.

Übrigens: Die Freefont-Veröffentlichung der typografischen Mikrobenvertreter planen wir im Frühjahr 2016.