Mit einem kurzen Ausflug in die Geschichte des Drucks – Zeitungstexten, bei denen die Punzen zufließen bis im Fotosatz hergestellte Etiketten, deren Druckbild nicht gleichmäßig ist – umreißt Atilla Korap ein lang bekanntes Problem: jeder Kontext und jedes Format braucht seine eigene Schrift. Im Druck ist das ein alter Schuh, doch was bedeutet es im digitalen Zeitalter? Er zeigt Beispiele von frühen DOS-Bildschirmen, Geschwindigkeitsanzeigen im Auto und Armbanduhren. Was kann man da tun? – Die Auflösung zu erhöhen ist eine der Möglichkeiten. Auch dafür hat Atilla Korap ein paar Bilder parat und zeigt, wie immer besser aufgelöste Bildschirme eine immer schärfere und abgerundete Darstellung von Schriften ermöglichen. Doch bringt die Masse an vielfältigen digitalen Ausgabegeräten wie Smartphones, e-Books oder Laptops noch ein weiteres, ganz anderes Problem mit sich: der Gestalter (z.B. einer Website oder eines e-Books) weiß gar nicht mehr, was der Leser am Ende sehen wird. Je nach Gerät verändert sich die Auflösung oder selbst die Schrift, die es anzeigt, da auch eingebettete Fonts nicht immer richtig angezeigt werden können. Dem Gestalter fehlt also die Kontrolle über sein Produkt.
Atilla Korap
Rapid Response Technology Specialist (Bad Homburg)
Hier kommen die Webfonts ins Spiel
Atilla Korap arbeitet seit langer Zeit bei Monotype in der Font Entwicklung und ist seit August 2013 im Bereich „Rapid Response“ tätig. Monotype vertreibt und lizensiert seit mehreren Jahrzehnten digitale Schriften und passt die vorhandenen an sich ständig verändernden Bedingungen an – eine Sisyphos Aufgabe.
Wie genau wird eine Schrift für ein e-Book lesbarer gestaltet?
An dieser Stelle fängt es an wirklich technisch zu werden. Erst einmal müssen die Bedingungen geklärt werden: es geht um skalierbare Schriften, die auf Geräten mit mindestens 100 Pixel Auflösung angezeigt werden – mit der gewohnten Leseentfernung eines Buchs. Im Gegensatz zum Durchklicken von Websites ist die Konzentration des Lesers bei e-Books wesentlich länger und ausdauernder.
Im Schnelldurchgang gibt Atilla Korap eine Einleitung in die Gestaltung von Schrift: Vektor, Outline, Geviert und em-Square sind die Schlagworte. Und dann kommt der entscheidende Schritt. Die Schrift muss von einer Vektor- in eine Bitmap-Datei umgewandelt werden. Dafür stellt er zwei Verfahren vor:
- den „Rasterizer“
- und das Rendern.
Das Rastern ist so einfach, wie ungenau. Die einst sorgfältig durchdachten Kurven der einzelnen Buchstaben werden beim Umrechnen in einzelne kantige Pixel zerhackt. Und so fällt zum Beispiel der Kontrast der Stämme eines m mal dicker und mal verschwindend dünn aus.
Oder einfach gesagt: der Charakter der Schrift geht verloren. Um dem entgegenzuwirken und die Kanten etwas weicher zu gestalten, folgen Erklärungen zu Autohinting und der Abstufung des Grauwerts nach außen.Option Nummer zwei: das Rendern. Hier wird ebenfalls versucht die Form durch Grauwerte zu erhalten.
Jedes Gerät braucht seine eigene Schrift
Bei Schrift geht es immer um optische Räume und das Anpassen an die unterschiedlichen Umstände. Umso kleiner die Schrift ist, desto weiter muss sie laufen; bei größerer Schrift ist wiederum mehr Kontrast notwendig.
Doch wie finde ich eine optimierte Schrift für den Bildschirm? Auch hier gibt Attila Koraps eine pragmatische Antwort: Es sind die Schriften innerhalb eines Schriftenpakets, die die Endung -Display, -Micro oder auch -eText tragen. Diese findet man allerdings nur in sehr gut ausgebauten Schriftfamilien.
Typografische Raketenforschung
Am Ende seines Vortrags angelangt, gibt uns Atilla Korap einen Ausblick, wo die Optimierung von Fonts hinführen könnte. Zum Beispiel zu Optimierungen für die Darstellung von Schrift auf der Frontscheiben in Autos, in denen das Display direkt in die Scheibe integriert ist. In der Theorie funktioniert das schon sehr gut, nur müsste man sich in der Praxis mit „neuen“ Faktoren auseinandersetzen – wie der Sonneneinstrahlung. Das ist eine völlig neue Herausforderung für den Font-Spezialisten und hört sich nach typografischer Raketenforschung an – auf zu den Sternen!
cw, SGG