Johannes Bergerhausen: Typographie und Semiotik

Welches ist das meistverwendete Zeichen im Internet und was haben Pflanzen mit Typographie zu tun? Johannes Bergerhausen führt uns in einem unterhaltsamen Vortrag einmal kreuz und quer durch die Welt der Zeichen und Symbole.

Sonja Knecht stellt Johannes Bergerhausen als „Mister Unicode“ vor. Viele im Raum werden ihn durch seine vielfach ausgezeichnete Online-Plattform decodeunicode.org kennen, die sich im Rahmen der typografischen Grundlagenforschung mit den unicode-kodierten Schriftzeichen der Welt befasst. Das Publikum darf sich über die Ankündigung freuen, dass das Projekt noch in diesem Jahr ein Update erhalten wird, von Unicode 5.0 auf 6.0.

Johannes Bergerhausens letzte Buchveröffentlichung ist „Die digitale Keilschrift“ (2014), Verlag Hermann Schmidt Mainz © Gerhard Kassner (Monotype)

Johannes Bergerhausen beginnt seinen Vortrag ganz am Anfang, nämlich bei der Entwicklung von Schrift und Zeichen durch die Sumerer. Wie stellen sie eine Flüssigkeit dar? Die Keilschrift löst das Problem einer undefinierbaren Masse auf erstaunlich moderne Weise und zwar durch die Darstellung des Gefäßes, das die Flüssigkeit enthält (die kurvige Coca-Cola-Flasche wäre das entsprechende zeitgenössische Pendant). Das Wort „Feind“ wird dargestellt durch zwei gekreuzte Striche, ähnlich einem x. Zwei parallele Striche bedeuten „Freund“. Es folgt die Flagge Großbritanniens, die im 17. Jahrhundert aus der schottischen, irischen und englischen Flagge entstanden ist. Bergerhausen zeigt anhand von einigen Entwürfen, welche Überlegungen zu Größenverhältnissen und Layout sich ein früher Grafiker bei der Gestaltung wohl gemacht haben mag, um keine unbeabsichtigte Aussage über einen der beteiligten Staaten zu machen. Über die Fahnenkunde und Heraldik kommt Bergerhausen zu den Steinmetzen, die schon seit Jahrhunderten ihre Arbeiten mit individuellen Zeichen signieren.

Johannes Bergerhausen © Ilka Helmig

Johannes Bergerhausen

Professor of Typography and Book Design / University of Applied Science Mainz (Mainz)

Prof. Johannes Bergerhausen was born in 1965 and studied communication design. In 1993, he moved to Paris, where he worked with Grapus founders Gérard Paris-Clavel and Pierre Bernard on various projects, including the Centre Pompidou. Bergerhausen originally planned to stay in France for a year, but ended up spending seven years there, including filling a grant post at the Centre Nationale des Arts Plastiques in 1998. In 2002 he was appointed professor of typography and book design at Mainz University. In 2004 he launched decodeunicode, a project sponsored by the German Ministry of Education and Research, for which he received numerous awards. Prof. Bergerhausen has given lectures all over the world and founded the Institut Designlabor Gutenberg in Mainz in 2004. Working with Siri Poarangan, he published “decodeunicode — Die Schriftzeichen der Welt” in 2011. The book was awarded the German Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in Gold in 2012. His latest publication “Digitale Keilschrift” deals with digital cuneiform writing. Johannes Bergerhausen is a member of ATypl.

Among Prof. Bergerhausen’s awards are the Red Dot Best of the Best, iF Award Gold, ADC Deutschland, TDC New York, Designpreis der Bundesrepublik Deutschland, Schönste Deutsche Bücher, European Design Award best of show.

Photo: Ilka Helmig

Der Ursprung der Typographie und des Kommunikationsdesigns liegt im handwerklichen Bereich und so gibt es noch keine lange akademische Tradition, auf die wir zurückgreifen können, um gestalterische Arbeit über die bloße Intuition hinaus zu begründen und zu erklären. Im Fehlen eines historisch gewachsenen, wissenschaftlichen Backgrounds sieht Bergerhausen die Erklärung dafür, dass das im Grunde naheliegende und wissenschaftlich erschlossene Feld der Semiotik noch nicht systematisch mit Lehre und Forschung zu Typografie und Kommunikationsdesign verknüpft wurde.

Die Semiotik befasst sich mit Zeichensystemen aller Art. In unzähligen Bereichen und auf zahlreiche Arten wird über Zeichen, Gesten und Bilder kommuniziert. In der Natur ist Rauch ein Zeichen für Feuer. Pflanzen treten miteinander in Kontakt, indem sie bestimmte Duftstoffe aussenden. Kleine Bläschen auf der Haut, die in einer bestimmten Verteilung auftreten, sind für einen Arzt das Anzeichen für Windpocken.

Wie wir eine Nachricht verstehen, hängt maßgeblich von der Kultur ab, in der wir leben. Je mehr Wissen wir über unsere Umwelt haben, desto eher sind wir in der Lage, bestimmte Zeichen oder Symbole zu dechiffrieren. In Mainz haben alle Straßenschilder, die parallel zum Rhein verlaufen, die Untergrundfarbe Blau. Alle Straßen, die vom Rhein weg führen, haben die Farbe Rot. Einen Steuerbescheid können wir erkennen, ohne ein einziges Wort gelesen zu haben. Ein Ausfahrt-Schild erschließt sich uns nur dann, wenn wir wissen, dass wir uns im Zeichensystem Autobahn befinden. Das Medium, das die Botschaft transportiert, spielt also eine Rolle, wie auch die Umgebung in der kommuniziert wird.


Zum Ende gibt es noch einen Auftrag an alle Designer und Typographen: Für die Türen öffentlicher Gebäude brauchen wir ein Zeichen für ziehen / drücken, das in den Unicode-Zeichensatz aufgenommen werden und die Welt ein bisschen besser machen soll. Die Antwort auf die Frage nach dem meistgenutzten Zeichen im Internet ist übrigens denkbar unspektakulär: Es ist Space.

Nächsten Monat, am 26. Juni wird Johannes Bergerhausen auf dem TYPO Day in Zürich neben Unicode Emojis vorstellen — die japanischen Piktogramme, die zunehmend unsere Smartphones und Rechner bevölkern.

/jg, SGG