Supertype: Wie kommt der Charakter in die Schrift?

Zerbrechen der zerbrechbaren Buchstaben. Anthropomorphismus in der Schriftgestaltung. Eine Schrift, die 80 Millionen Menschen anspricht oder dich direkt anschreit. Über den Umgang mit Klischees.


„Kantig und trotzdem warm“, Supertype über eine Schrift für die Region Südtirol. © Sebastian Weiß (Monotype)

Jürgen Huber und Martin Wenzel halten sich exakt an das Thema der TYPO 2015 und berichten über ihre langjährige Erfahrung mit der Aufgabe, in ihre Schriften Charakter „zu packen”. Etwas sarkastisch aber liebevoll beschreiben sie ihre Arbeitsweise und ihre Kunden.

Zuerst nennen sie einige Faktoren, die den Charakter der Schrift maßgeblich beeinflussen:

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Wir erkennen unbewusst überall menschliche Eigenschaften, sogar in Buchstaben: So wird das e als Auge oder lachendes Gesicht wahrgenommen; verschiedene Teile des Buchstabens benennt man nach menschlichen Körperteilen (Bauch, Bein, Öhrchen); und das Wort typeface“ selbst enthält FACE.

Wir assoziieren Buchstaben mit verschiedenen Gegenständen und geben ihnen deren Merkmale.

Letters are things and pictures of things. Supertype*

So erweckt jede klassizistische Antiqua bestimmte Gefühle, da sie eine gewisse physische Eleganz hat. Supertype zeigen, wie sie die Schriften testen: Je nachdem, ob die Buchstaben nach dem Werfen auf den Boden überleben, zerbrechen oder sogar den Boden beschädigen.

Auch Bewegungen des Werkzeugs sind spürbar – zum Beispiel, ob die Buchstaben mit der Feder geschrieben, gestempelt oder aus Beton gegossen sind.

Am Ende zeigen Jürgen Huber und Martin Wenzel ihre Schriften, die für die unterschiedlichsten Kunden mit manchmal paradoxen Ansprüchen entworfen wurden. Von kantig und trotzdem warm“ für Südtirol, über eine nicht exklusive, demokratische Schrift ohne Wiedererkennbarkeit“ für die Bundesregierung, bis hin zu Markt. Schreien“ für MediaMarkt.

Supertype: Martin Wenzel, Jürgen Huber

Supertype

Schriftgestalter (Berlin)

Prof. Jürgen Huber und Martin Wenzel sind erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Schriftgestalter, die die Partnerschaft supertype.de bilden. Sie sind bekannt für ihre Schriften, z.B. für die deutsche Bundesregierung oder die neue Schriftfamilie für den europäischen Elektronikhändler Media Markt. Beide studierten Kommunikationsdesign, und gestalten und arbeiten mit Schrift. Huber studierte an der Folkwang Universität in Essen unter Prof. Volker Küster, bevor er bis 2004 bei MetaDesign arbeitete. Wenzel studierte an der Königlichen Kunstuniversität in Den Haag, arbeitete dann für Buro Petr van Blokland + Claudia Mens bis 2005. Beide unterrichten Typografie an der Fachhochschule HTW in Berlin. Foto: Antje Umstätter

Sie zeigen, wie diese abstrakten Eigenschaften gestalterisch auszudrücken sind und fordern dazu auf, keine Angst vor Klischees zu haben. Denn sie sind nicht zu vermeiden, sie bleiben im Hinterkopf und sie helfen uns, zu kommunizieren. / JG

*Letters are things, not pictures of things.
Eric Gill