Font Fight

Vier Pulte, vier Farben, vier Kandidaten – dazu Moderator Bruno Maag, Kampfrichter, Ringmeister, Titelhalter des Englischen Champions 2006!
Die Regeln: Drei Minuten Zeit für jeden Kandidaten, um für sich zu werben. Die drei Pflichtdisziplinen: Schrift; gute Anwendung; schlechte Anwendung. Die Kür in der vierten Runde: Freestyle. Sieger ist, wer der Menge den frenetischsten Applaus entlocken kann. So weit, so gut.

Zu den Contestants:

Erster: Fidel „el presidente“ Peugeot, der Schweizer mit rotem Jackett und orangefarbener Krawatte, der nach eigener Aussage „Sachen und Songs“ macht.

Zweiter: Erik „die Schnauze“ Spiekermann, „bekannter als ein bunter Hund“, im Gegensatz zu Fidel aber keineswegs auch so angezogen.

Dritter Kandidat: Kurt „der Weise“ Weidemann. Strohhut. Rote Schuhe. Flasche Budweiser. Mehr braucht man nicht, um Denkmal zu sein.

Und zu guter Letzt: Alexander „die Bombe“ Branczyk. Von ihm, mit rotem Boxhandschuh ausgerüstet, der agil, sportlich und hochmotiviert die Bühne rauf und runter sprintete und bisweilen etwas vom Tiger im Käfig hatte, wurden „tiefe Kieferschläge“ erwartet.

In Runde eins überzeugt Erik Spiekermann als Zehnkämpfer der Disziplin Frutiger mit einer unvergleichbar undurchlässigen Argumentationskette („Frutiger ist die beste Schrift der Welt, weil sie die beste Schrift der Welt ist“). Herr Weidemann überrascht die Jury mit einem Gedichtchen über „Graf Typo“, der, und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind hier selbstverständlich absolut zufällig, „obwohl er durchaus hoch verehrt, manches Glas zu viel geleert“ hatte. Er bat am Ende darum, man möge ihn bitte nicht in die nächste Runde klatschen. Ein frommer Wunsch! Alex beschränkte sich darauf, seine Mitstreiter ein wenig zu dissen – was Herrn Weidemann wiederum sichtlich amüsierte…

Die Runde Zwei verlief ganz ähnlich, El Presidente warb um die Gunst des Publikums mit lomoweb, lomocopy, lomowall, lomosampler, lomotool und vielem mehr – woraufhin Erik altersmilde gar nicht mehr gewinnen wollte. Kurt trug im Gegensatz zu seinem Zustand sehr trocken die zweite Strophe seines Gedichtchens über Graf Typo vor und Alex ratterte routiniert seine Erfolge und Schrifttypen herunter.

Die dritte Runde brachte keinen großen Erkenntnisgewinn, die Teilnehmer sparten Kraft für die alles entscheidende, vierte Runde!

Fidel leitete furios ein mit seinem Leitsatz “Furniture have something to say“, spielte den Ball auf Erik, der jedoch das Handtuch hinwarf und in der vierten Runde die Arbeit verweigerte, woraufhin Kurt die Vorlage aufgriff, in lupenreinem Schwäbisch seine Erkenntnis des Tages („Was soll ich auf die Typotage, ich hen’ da wirklich nix zu sage“) nach vorne drosch, woraufhin Alex den entscheidenden Spin reinlegte – und den Treffer versenkte.

Und so bekam am Ende Alex „die Bombe“ Branczyk den frenetischsten Applaus und nicht unverdient anschließend von Bruno den schwarzen Siegergürtel umgelegt. Siegestrunken reckte er die Hand im roten Boxhandschuh in die Höhe. Der Sieger strahlte. Das Publikum tobte. Der erste Tag der Typo war geschafft.

Halleluja.

Text — Dörte Schütz, Fotos: gerhardkassner.de

2 Comments

  1. Gast|June 1, 2008

    Halleluja! Was für ein Debakel! Was wohl eigentlich ganz interessant und witzig hätte sein können, entpuppte sich als niveauloses Hin- und Hergekeife. Ich kann nicht verstehen, warum in diesem Artikel nicht die Stimmen aus dem Publikum niedergeschrieben werden. Nicht jeder empfand den FontFight so gelungen wie hier beschrieben. Im Gegenteil! Einige Personen verließen sogar früher die Halle, um sich das traurige Spiel und die miserable Moderation des Ringrichters nicht länger anschauen zu müssen. Spiekermann schmollte, war absolut desinteressiert. Was soll daran unterhaltsam gewesen sein? Die Sensationsgeilheit der Menschheit ließ die Personen in der Halle verharren, nicht, weil das Schauspiel unterhaltsam oder auch nur auf irgendeine Weise sinnvoll war. Ganz mieser Typo-Start. Ich hoffe, das bleibt bei diesem einen Versuch!

  2. Christoph Reichelt|June 2, 2008

    @Gast: Wer Augen hatte sah, was hier inszeniert war.

    Aber geärgert habe ich mich auch: Beide “aktiven” Teilnehmer haben, qua Mentalität, Auftreten und Werk den FontFight 1998 geliefert. Und wir sind doch eigentlich ganz froh, dass *das* vorbei ist.
    Ich warte gespannt auf den substanziellen FontFight des Jahres 2009. 2009!

Erik Spiekermann © Dennis Letbetter

Erik Spiekermann

Art Historian, Information Architect, Type Designer, Author (Berlin, San Francisco, London)

Erik Spiekermann is information architect, type designer and author. Two of his typefaces, FF Meta and ITC Officina, are considered to be modern classics. He founded MetaDesign (1979) and FontShop (1988). He is behind the design of well-know brands such as Audi, Bosch, VW, German Railways and Heidelberg Printing, among others;  information systems for Berlin Transit and Düsseldorf Airport and for publications like The Economist. He designed exclusive typefaces for corporations like Deutsche Bahn, Bosch, ZDF (German TV), Cisco, Mozilla and many others. Erik is Honorary Professor at the University of the Arts in Bremen and in 2003 received the Gerrit Noordzij Award from the Royal Academy in The Hague. In 2006 he was awarded an honorary doctorship from Pasadena Art Center. He was made an Honorary Royal Designer for Industry by the RSA in Britain in 2007 and Ambassador for the European Year of Creativity and Innovation by the European Union for 2009. In 2011 he received the German National Design Award for Lifetime Achievement and the TDC Medal as well as a Lifetime Award from the German Art Directors Club. He was managing partner and creative director of Edenspiekermann with offices in Berlin, Amsterdam,  San Francisco and Los Angeles until June 2014 when he moved from that position to the supervisory board. He now runs galerie p98a, an experimental letterpress workshop in Berlin. Erik splits his time between Berlin and San Francisco and London, where his son Dylan lives. A book about his life and work “Hello I am Erik” was published by Gestalten Verlag in 2014. Photo: Dennis Letbetter
Weidemann_Kurt

Kurt Weidemann

Kurt Weidemann was born in Masuria, Poland, in 1922. From 1941 to 1945 he performed his military service in Russia, followed by several years as a prisoner of war. In 1950 he started training to be a typesetter and then studied at the Stuttgart State Academy of Art and Design, where he also worked as a lecturer from 1963 to 1983. Kurt Weidemann is an internationally recognised graphic designer, typographer, font designer, teacher and author. He has helped create the image of some of the largest German companies. His most famous customers include Deutsche Bank, Deutsche Bahn, Porsche and Daimler-Benz. He designed the fonts ITC Weidemannn, Corporate A-S-E and Biblica and has received numerous awards for his work.
Alexander Branczyk

Alexander Branczyk

Alexander Branczyk is the designer of a great number of CI fonts for cultural and commercial clients. He studied »for a long time« at the Offenbach Academy of Art and Design and was at the Bauhaus University in Weimar for 4 semesters (as Prof). After 7 »extra fat« years with Erik Spiekermann, he set up xplicit GmbH in 1994 with Thomas Nagel and Uwe Otto. His attempt to outrun the rest at TYPO with his typosium »TypograVieh lebt« (The typographic beast is alive and kicking) failed! And so, he pulled on his boxing gloves and attacked Spieker-/Weidemann and Fidel P. and was declared Fontfight Champion.